Bob Dylan@Stuttgart – His Bobness gibt sich die Ehre

Bob Dylan in Stuttgart

Talk of the Town: Das Fotografierverbot bei allen Bob Dylan Konzerten auch beim Jazzopen in Stuttgart. Darf der das denn? Bob Dylan ist der Mann, der als Folk-Star die E-Gitarre in die Hand nehmen durfte. Er durfte als Teen-Pop Star und Voice of his Generation einfach abtauchen und in Woodstock dem Work-Life-Balance frönen, statt das Schicksal von Brian Jones, Jimmi Hendrix und Co zu teilen. Er durfte Mitte der 70er ein Comeback feiern und mit „Blood on the Tracks“ eines der Top 10 Alben aller Zeiten hinlegen. Er durfte Ende der 70er zum fundamentalen Christentum konvertieren und Fans und Kritiker damit vor den Kopf stoßen.

Er durfte in den 80er gebeutelt von Alkoholproblemen und komplett ausgebrannt, eine Tour planen, die nicht früher beendet wird, bis die Sonne erlischt. Und er durfte den Literaturnobelpreis verliehen bekommen und keinen Bock haben, ihn abzuholen. Natürlich darf His Bobness auch seinem Publikum verbieten ihn nur die Linse des iPhones XS in 2436 x 1126 px-Auflösung zu betrachten. Warum: Weil er es kann und weil er in erster Linie für sich selbst spielt und für seine Kunst und uns dabei großzügig teilhaben lässt

Bob Dylan in Stuttgart

Julia Biel als Support ist eine Sympathiebombe in Pailettenkleid und Birkenstock-Schlappen. Ihre Musik allerdings leider so berechenbar wie die dritte Staffel von „Stranger Things“ Aber wie will man auch vor dem Meister wirklich was reißen. Der kam zu seinem Set wortlos auf die Bühne und legte kraftvoll mit „Ballade of a thin man“ los. Die Frage ob er am Donnerstag auf dem Schloßplatz Bock hatte, war damit auch beantwortet.

Und dann geschah es: Bei Track 2 „It ain’t me babe“ fing er an zu lächeln und hat dies während des Gigs noch mindesten 17mal wiederholt. Ich werde hier also nicht eine der Horrorstories von schlecht gelauntem Genuschel erzählen. Bob war gut drauf. Die Country, Blues und Americana Adaptionen vor allem seiner frühen Songs sind natürlich sind jedermanns Sache und tun manchen Track auch nicht wirklich gut.

Aber beispielsweise bei „When I Paint my Masterpiece“ entstehen gerade durch die von der Band eingebauten Tempiwechsel komplett neue Dynamiken. Mein persönlicher Höhepunkt: „Scarlet Town“ von seinem 2012 Album Tempest. Bob stand vom Klavier auf, schnappte sich das Mikro und rotzte den Song in einer uptemo Version auf den Schloßplatz.

Aber im Grunde spielt es nicht wirklich die große Rolle, wie sehr jeder seiner Tracks nun in der 2019 Version gelungen war, ob er mit seinen 78 Jahren auch noch Rampensau sein muss. Es spielt auch keine Rolle, ob er nun „Hallo Stuttgart“, „Tschüss Schwobaländle“ sagt oder auf Smalltalkphrasen komplett verzichtet.

Bob Dylan ist der Erfinder der 60er Jahre und Symbol für alles was Popkultur verkörpert oder einmal verkörperte. Der Soundtrack zum Erwachsen werden, zum jung bleiben und nicht Teil der Systemmaschine zu werden. Das Versprechen auf eine Zukunft und eine Haltung, die sich selbstbestimmt mehr an der Kunst und den Visionen von Dylan, David Bowie oder Johnny Rotten als an den Phantasien von alten mächtigen Männern orientiert.

Und dafür lassen wir doch gern mal die Smartphones zwei Stunden in der Hosentasche stecken.

Danke Bob für den schönen Abend, auf den ich schon gewartet habe, seit ich mir mit 15 die „Greatest Hits Vol. 1“ bei Quelle gekauft habe.


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