Unsere Krimiecke: Aalglatt über Leichen

gessler
Tierfreund Christian Keßler läßt seinen Kommissar Ernst gern in Tierkadaver treten.

Es gibt einige Gründe, Krimis nicht mehr zu mögen. Da sind zum einen die  mit  sepiafarbenen Covern versehenen Skandinavia-Thriller. Sie beginnen stets damit, dass einer armen weiblichen Person die Seele mit allerlei schmerz- und todbringendem Instrumentarium ausgehaucht wird. Im weiteren Verlauf schleppt sich auf 350 Seiten ein mürrischer unrasierter Kommissar durchs tristgrau-verregnete Skandinavien um beim letzten Umblättern eine zweite arme Seele  zu retten.

Dazwischen stolpern wir über handwerklich ordentliche Cliffhanger, Logiksprünge und wenn nach ca.170 Seiten Langeweile droht, muss halt noch jemand dran glauben. Die letzte Freude am Genre treiben uns die sonntäglichen Tatort-Krimis aus, hier paart sich das dramaturgische Talent der öffentlich-rechtlichen Drehbuchazubis mit der Ausdrucksfähigkeit eines Till Schweigers. Sprich in einem Krimi spielt die eigentliche Handlung die gleiche tragende Rolle wie in einem Porno. Und da wären wir auch schon bei der Überleitung zum Autor Christian Keßler, denn der debütierte 2010 mit „Die läufige Leinwand“ einem Buch über das amerikanische Pornokino der siebziger Jahre.

aalglattZuerst einmal ist sein Kommissar Ernst aus „Aalglaat über Leichen“ auch ziemlich schlecht gelaunt, was aus meiner Sicht auch nicht verwunderlich ist, Bremen liegt ja schließlich fast in Skandinavien. Ich habe mir damit auf den ersten Seiten auch ein bißchen schwer getan, vielleicht kam er mir ein wenig schabloniert vor oder ich war einfach nur nervös, weil „Aalglatt über Leichen“ das erste Buch ist, dass ich zum ausschließlich (Aber nicht ohne Spaß) zum Rezensieren gelesen habe.  Aber Keßler macht eben genau das richtig wo sich die anderen vergeblich einen abbrechen (Wenn auch mit viel kommerziellem Erfolg). Er lässt seinen Kommissar, eine sympathische Manifestation der schlechten Laune und inneren Zerrissenheit durch eine Reihe von  abstrus komischen Szenen marschieren in denen sich Ernst dann wohlfühlen und seinen Charakter ausleben kann. Das Prinzip Ernst funktioniert zum Beispiel so. Geiselnahme: Der Geiselnehmer beschallt seine Umgebung mit S.Y.P.H.s „Lachleut und Nettmenschen“. Kommissar Ernst überfährt zuerst schlechtgelaunt einen Hund und beschließt danach als Ein-Mann-SEK dem Gangster das Licht auszublasen um den Fall abzukürzen. Der entleibt sich jedoch selbst und das eigentliche SEK meuchelt versehentlich die Geisel. Fall abgeschlossen. Im übrigen tritt Ernst ständig in tote Tiere, auch das Mordopfer wird mit einem Aal ermordet. Wobei der eigentliche Fall im Handlungsverlauf auch weniger wichtig ist als die Gestalten, die in dem Roman auftreten. Da besucht der Kommissar  schonmal Christian Keßler selbst, der sich einen Cameo-Auftritt als Filmjournalist und Pornofilmnerd ins Buch geschrieben hat. Aber ich darf an dieser Stelle alle Hakan Nesser Leser beruhigen, auch in „Aalglatt über Leichen“ wird am Schluß jemand verhaftet und Keßler hält die Geschichte für ein Sequel offen.

Auch wenn Kommissar Ernst den einsamen Wolf mit der kompletten Palette der  ungeklärten Zerwürfnisse  gibt, die verbeamteten Ermittlern wohl weltweit innewohnt, ist „Aalglatt über Leichen“ keine Parodie, Regiokrimiabklatsch o.ä.  Keßler konstruiert sinnfreie unterhaltsame Szeneriaen in denen sein Kommissar seinem ätzenden Humor und Zynismus freien Lauf lassen kann und ganz nebenbei gibt  uns der „Splatting Image“ Autor noch die Chance einiges über die Trashfilm-Kultur zu lernen. Mehr kann man von einem Krimi nicht erwarten.

Fazit: Mit Kommissaren wie  Ernst würde ich mich wieder auf den Sonntag Termin um 20.15 Uhr in der ARD freuen. Ansonsten warte auf die Fortsetzung von „Aalglatt über Leichen“.

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