Ich dachte bis vor kurzem, dass mich als altem Kinogänger so schnell kein Film mehr vom Hocker haut. Bis zu dem Zeitpunkt als wir „Dicke Mädchen“ von Axel Ranisch bei uns im Kommunalen Kino zeigten. Das Mumblecore Meisterwerk erzählt die subtile Liebesgeschichte zwischen Sven, der mit seiner Mutter zusammenlebt und deren Pfleger. Mit einem Budget von 500€ erzählte Ranisch eine kompakte, humorvolle und sentimentale Comming Out Geschichte. Für mich eines der Kinohighlights der letzten Jahren. Weitere Produktionen wie „Ich fühl mich Disco“ und „Alki, Alki“ verfeinerten seine Erzähltechnik.
Das ermutigte den SWR den Odenthal-Tatort „Babbeldasch“ mit Ranisch als Mumblecore Krimi zu produzieren. Bild erklärte prompt die Tatort-Folge zur schlechtesten aller Zeiten und warnte vorm Einschalten.
Nackt in Berlin
Nun liegt der Debütroman von Axel Ranisch vor. Und ja, es ist eine typische Ranisch-Story. Jannik ist übergewichtig, steht auf klassische Musik und kann mit Mädchen so gar nichts anfangen. Statt sich auf dem Schulhof sich Coolness zu üben spielt er lieber im Musikzimmer auf dem Klavier. Dort trifft er auf Tai und freundet sich mit ihm an. Zwischen den beiden ungleichen Jugendlichen bahnt sich eine romantische Beziehung an. Zur gleichen Zeit treffen sie den total besoffenen Rektor ihrer Schule und sperren ihn in seine Berliner Hightechwohnung ein. Was wie ein Pennäler-Streich beginn, entwickelt sich zu einem Drama um die Hintergründe des Selbstmords einer Schülerin.
„Nackt in Berlin“ ist eine warmherzige coming out/ coming off Story. Die Entführungsgeschichte, ist verknüpft mit der sexuellen Selbstfindung von Jannik. Dessen Eltern führen die typisch ausgelatschte Alibi-Ehe , die man eben führt wenn die Kinder flügge werden. Seine Mutter hängt an ihrem kleinen Wonneproppen, während der Vater als eisenharter Schwimmtrainer seinen Sohn zu einem echten Mann formen will. Der zweite Beziehungsstrang dreht sich um die gescheiterte Ehe von Schulrektor Jens, dessen Frau mit ihrem Personal Trainer durchgebrannt ist.
Axel Ranischs Debüt ist eine pralle, humor- und seelenerfüllte Story mit einer oder sogar mehreren irrwitzigen Liebensgeschichten, so wie man sie auch aus seinen Filmen kennt. Sprich das Buch schreit nach einer Verfilmung. In meinen Kopfkino habe ich übrigens die Rolle von dem Lehrer Holger, mit Heiko Pinkowski besetzt. Ich denke das kommt hin.