Jahresrückblick 2015 – oder wie Björn Höcke aus der Leberwurst winkte..

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Unsere Gesellschaft erinnerte  mich 2015 an eine Leberwurst, auf die in der Mitte zu feste draufgedrückt wurde. Was geschah? Der Inhalt an Fett, Knorpeln und Leberwurstgewurstel verteilte sich stärker auf den beiden Enden. Plötzlich winkte Björn Höcke mit irrem Blick und WM-Fanshop Deutschlandfähnchen aus dem einen Ende. Während auf der anderen Seite  Menschen mit Luftballons am Münchener Bahnhof standen um Flüchtlinge zu begrüßen und andere ihren heiligen Urlaub opferten um den Flüchtlingen ein menschenwürdiges Ankommen zu gewährleisten.

Wie alles anfing

Gefühlt begonnen hat alles ca. 2011. Bei den Demos zu Stuttgart 21 erblickten die Wutbürger das Licht der Welt. Die rationellen Argumente bei S21 waren nachvollziehbar, die Emotionalität und Brutalität (bis zum Rechtsbruch durch das Land BW) von beiden Seiten erinnerten mich jedoch stark an den Protest gegen die Stationierung von Pershing-Rakten während des kalten Kriegs. Und dies obwohl es sich bei S21 nur um ein Gebäude der deutschen Bahn und eben nicht um Atomwaffen mit mehrfachem Overkill-Potential handelte. Im Nachgang schwappten ganze Wählerschichten erst von schwarz nach Grün dann zu den Piraten, um schließlich bei den Rechtspoulisten der AfD zu landen.

Kick-off für diesen Prozess war sicherlich die Finanzkrise 2009. Sie ließ die heilige Dreifaltigkeit  des digital hochgepitchten Turbokapitalismus bestehend aus Neoliberalismus (Heiliger Geist), Kapitalakkumulation (Heheres Gesellschaftsziel) und Selbstoptimierung (Seelenfrieden, Primark-Shopping) für die meisten Menschen verblassen. Vor allem für diejenigen, die dabei um Schatten standen. Vielleicht hatte hier Kurt Tucholsky recht, wenn er meinte.  “Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meiste richtig”

Qualitätslektüre aus dem Hause Kopp
Qualitätslektüre aus dem Hause Kopp

Zur gleichen Zeit landete ein Katalog des Kopp-Verlags in meinen Händen. Ich war belustigt über Bücher, die UFOs als Wunderwaffenerfindung der Nazis schilderten, fragte mich allerdings was denn der Hetzer Thilo Sarazzin in so einem lustigen Trash-Universum zu suchen hat. Ich konnte nicht ahnen, dass die rassistische Logik von Kopp & Co. heute für viele als ernst zu nehmender Lesestoff und argumentative Rechtfertigung für ihr verqueres Weltbild dient.

 

Komfortland ist abgebrannt

Wir kannten die Bilder nur aus den Tagesthemen. Gruselige Vermummte, auf Toyota-Pick ups in der Wüste. Kinder die zwischen staubigen zerbombten Ruinen oder in trostlosen Zeltstädten spielen. 2015 kam die Weltpolitik bei uns an.  Aus abstrakten Nachrichten wurden echte Menschen, die unter uns leben. Als in Ungarn Ende August eine humanitäre Katastrophe drohte, sagte ausgerechnet Angela Merkel “Wir schaffen das” und sprengte mit diesem Satz die  marode und verlogene Asyl-Komfortzone, errichtet ca. 1991 aus den Bausteinen  Wegschauen, Aussitzen und Verleugnen. Anschließend brach das überraschend dünne Eis unserer Zivilgesellschaft an vielen Stellen. Auf Facebook konnte jeder nachvollziehen, was diese Situation aus Amöbenhirnen, die Rechtschreibung und Autokorrektur nicht auseinanderhalten können, alles an Widerwärtigem und Perfiden herauspressen konnte. Über 500 Brandanschläge auf Flüchtlingsheime zeugen allerdings  davon, dass die Gewalt nicht nur verbal auf sozialen Plattformen ausgeübt wurde.

Ich hatte allerdings auch Diskussionen mit Menschen aus der “Mitte der Gesellschaft”. Bekannte mit Hochabschluß, die ihre politische Sozialisation durch einem Besuch in Wackersdorf (Demo gegen irgendwas vor vielen Jahren) definierten, kamen plötzlich mit dem ganzen Anti-Flüchltings-Schlonz daher. Also “Also alles nur  Männer mit Handy- Parallelgesellschaftsbilder- Kriminalitätsratensteigerer- Markenklamottenträger –  8000 Euro Bezahler – Wir können doch nicht jeden aufnehmen- Blah blah blah blubb blubb.  Dumpfe unreflektierte Ängste schienen auch bei der “Menschen in der Mitte” der kürzeste Weg vom  Bildungsbürgertum zum  Info-Prekariat zu sein.

All diejenigen, bei denen zwischen den Spinnweben in der Großhirnrinde doch noch ein Teelichtlein leuchtete, ignorierten alle aufkeimenden Widersprüche ihrer Argumentation und schufen sich eigene Welt wie-de-wie-sie-ihnen-gefällt.  Eine Kosmos, in dem sich jeder Antidemokrat zudem noch selbst als Opfer von Lügenpresse, Gutmenschen, Nazikeulen-Rausholer und Linksfaschisten profilieren durfte.  Kopp, Netzplanet und Co. liefern dafür den Lesestoff s.o.

2016+ ?

Wir sitzen  nicht mehr stolz wie König-der-viertel-vor-Zwölfte in unserm Konsum-Lummerland und nehmen am Weltgeschehen via 60 Zoll Flatscreen teil.  Der Versuch neue  Komfortzonen aus krautwurstigem, pickelhaubigem Nationalismus mit einer Prise Rassismus ala AfD aufzubauen ist hochgefährlich. Komplexitätsreduzierung durch Fluchten ins passiv-esoterisch-vegane  Cocooning (Yoga gegen Nazis) wird nichts helfen. Wir müssen leider davon ausgehen, dass nach der kaltschnäuzigen Rassisten-Liesl Frauke Petry, Björn Höcke dem „Triumph des Willens“-Laiendarstellers und dem Gutsherren-Fascho Alexander Gauland irgendwann ein Smart-Ass ala Jörg Haider kommen und die äußerste Rechte auf 15% der Wählerstimmen hieven kann. Die Menschen, die die Demokratie und unsere offene Gesellschaft beschneiden wollen, repräsentieren nicht der Mainstream im 21 Jahrhundert. Aber aufgepaßt! Die Franzosen und Polen haben in den letzten Wochen gemerkt, dass sie vor lauter “Denkzettel” verteilen den Bock zum Gärtner gemacht haben oder auf dem besten Weg dahin sind.

 Was tun? Das ist in einer Demokratie und Informationsgesellschaft gar nicht so schwer. Einfach mal versuchen den Hintern zu heben. Ihr habt Bedenken, dass sich die Flüchtlinge hier integrieren? Dann helft doch einfach bei Ihrer Integration, dazu muß man nicht Mutter Theresa sein.  Euch gehen die rasisstischen Kommentaren online und offline auf den Keks. Bewaffnet euch mit Argumenten und diskutiert. Das Netz ist voll mit echten Fakten. Ihr wollt die AfD nicht in den Parlamenten sehen? Dann geht zu den nächsten Wahlen und wählt  irgendwas Demokratisches. Ja höher die Wahlbeteiligung desto weniger fallen die Hetzköpfe ins Gewicht.

Bei all dem ist klar, dass es immer anstrengender und angreifbarer ist, etwas zu tun und aufzubauen, als mit verbittert, motzigen  Mundwinkeln vor sich hinzumummeln. Aber es ist letztendlich auch befriedigender.

Klingt das für euch zu Naiv?  Drüber zu reden, mag sein  – danach zu  Handeln ist es auf  gar keinen Fall!

In diesem Sinn wünsche ich Euch einen guten Start ins Jahr 2016 !!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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