Poésie Noir in L.A. – Perfidia von James Ellroy

johnny-stompanato-mickey cohen james ellroy perfidiaAmerika war nie unschuldig. Unsere Unschuld ist bei der Überfahrt draufgegangen, ohne dass wir ihr nachgeweint hätten…Unser Heimweh nach einer besseren Vergangenheit, die es nie gab, ist ein Produkt der Massenmedien. / James Ellroy

James Ellroy macht als Schriftsteller grundsätzlich keine Gefangenen. Im März erschien mit „Perfidia“ der erste Teil seines zweiten geplanten L.A. Quartetts, das als Prequel zu seiner Romanreihe um ein großes amerikanisches dunkles Gesellschaftsportrait angelegt ist. Nun liebe Leser und Anhänger von skandinavischer Thriller-Stangenware, bleibt bitte dran und vergesst mal die unrasierten Zweifel- ,Grübler- und Schluffiermittler, denn James Ellroy entführt euch ins sonnige prädigitale L.A.,  in die Welt der knallharten Cops, die häufiger ihre Moral als ihre Socken wechseln und nie ohne Totschläger aus dem Haus gehen. Und wir reden hier nicht von Klischees.

Aber bitteschön, eines nach dem anderen

Das Ellroy Universum

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Johnny Stompanato und Mickey Cohen, zwei bekannte Mobster  und beliebte Protagonisten in Ellroy Romanen

Ellroy-Romane sind Maschinengewehr-Salven, abgefeuert auf die auf amerikanischen Geschichtsbücher. Das erste veröffentlichte L.A.  Quartett rechnet mit  den 40er und 50er Jahren ab. Die Polizisten des L.A.P.D. arbeiten als Cops aber gern auch als Gelegenheitskiller für die Mafia. Sie sind korrupt, gesteuert von einer flexiblen Moral, hochgradig rassistisch und getrieben von ihren Obsesionen. Sie lassen sich ohne mit der Wimper zu zucken von der Mafia für Morde anheuern, und spielen den eeeedlen moralischen Ritter geblendet von der boomenden Lasterhöhle Hollywood und ihren Stars und Starlets. Die Sprache von Ellroy ist extrem verdichtet, reduziert und so hart gekocht wie die skrupellosen Helden vom L.A.P.D . Das gipfelt z.B. in “Blut will fliessen” in einem AK47-Stakktato-Satzbau, auf 900 Seiten gibt es keinen Satz, der gefühlt mehr als 5 Worte zählt. Einzige Ausnahme: wörtliche Reden. Die sehr harte aber extrem rythmische Sprache arbeitet mit vielen Wiederholungen kommt dabei Songtexten sehr nahe und hat sich in den letzen Werken zu einer eigenen Ellroyschen Hard-Boiled Trademark Prosa entwickelt.

Bugsy Siegel, Boss der "Koscher-Nostra"
Bugsy Siegel, Boss der „Kosher-Nostra“

Neben den eigentlichen Protagonisten sind seine Romane von echten Zeitgenossen bevölkert. Den berühmten Mobstern Mickey Cohen und Johnny Stompanato beispielsweise, oder dem Boss der jüdischen Mafia, der Kosher-Nostra,  Bugsy Siegel. In seiner Trilogie der 60er und 70er Jahre tritt ein Mafia-Protege mit dem Spitznamen “Haarschopf-Jack” auf, den die Welt besser als J.F. Kennedy kennt. Von Beginn an dabei ist  auch dessen Gegenspieler J.Edgar Hoover, der natürlich (nur in Ellroys Roman)  die Ermordung von Martin Luther King einfädelt.

 

Die Rothaarige

Ellroy_HillikerAls James Ellroy 10 Jahre alt war, fiel seine Mutter einem Sexualverbrechen zum Opfer. Nach seiner unehrenhaften Entlassung aus der Armee geriet er auf die schiefe Bahn, war obdachlos, drogenabhängig und saß mehrmals ein. Er liebte Wohnungseinbrüche, wobei es ihm dabei weniger um das Diebesgut als um das Eindringen in die Privatssphäre von anderen Menschen ging. Ihn hat über all die Jahre der Fall der “Schwarzen Dahlie” einem brutalen Sexualverbrechen an der Schauspielerin Elisabeth Short beschäftigt, auch dieser Fall wurde wie der seiner Mutter nie gelöst. Mit dem Roman “Die Schwarze Dahlie” gelang ihm 1987 übrigens sein kommerzieller Durchbruch. Den Tod seiner Mutter verarbeitete er jedoch erst in seiner Autobiografie “Die Rothaarige”, oder eben auch nicht. Auf jeden Fall dürfte es die spannendste Biografie der Literaturgeschichte sein, da er seine Recherche, oder besser Ermittlungen nach dem Mörder seine Mutter schildert und  sich dabei kaum von den getriebenen Cops seiner Romane unterscheidet. Als Leser ist man davon so gefesselt, daß am Ende fest mit der dem Festnahme des Mörders gerechnet wird. Was natürlich nicht der Fall war. Deshalb wird Ellroy auch weiter Romane schreiben, in denen die Täter am Schluß zumindest dem Leser bekannt sind.

Perfidia

urlPerfidia,  ein Prequel zum ersten L.A. Quartett beginnt am 6. Dezember 1941, dem Vorabend des japanischen Angriffs auf  Pearl Harbour. An diesem Tag wird eine vierköpfige japanische Familie ermordet. Der Auftrag an die Ermittler: ein Täter muss gefasst werden, dies vor dem Hintergrund der geplanten Internierung von japanisch-stämmigen Amerikanern. Der Täter darf jedoch nicht weiß sein und an den Internierungen will außerdem gut verdient werden. Der Altbekannte Dudley Smith beginnt ein Verhältnis mit Bette Davis, die ihren Lover bittet “Kill, mir zuliebe einen Japaner”. Der lässt sich bei so einem Wunsch nicht zweimal bitten, denn er ist der Dudster, der Lover der schönsten Frau Hollywoods und Cop beim L.A.P.D.  Ansosten entpuppt sich der böööse Dud aber als liebevoller Dad, von niemand geringerem als Elisabeth Short, der schwarzen Dahlie. Der japanische Polizeichemiker Hideo Ahisda versucht sich vor dem Hintergrund der hochgradig rassistischen Stimmung in L.A. unentbehrlich zu machen, läßt Beweismaterial verschwinden und ermittelt auf eigener Spur, während sich das L.A.P.D. in Abstimmung J.E. Edgar Hoover einen Sündenbock sucht. Hauptprotagonist William H. Parker kämpft gegen den großen Durst und ist auf der obsessiven Suche nach einer jungen Frau, deren Foto er sich von einer Polizeitdienststelle kommen lässt. Sie hat rote Haare, heißt Geneva Hilliker und ist niemand geringers als die MUTTER von James Ellroy selbst!! (Ausrufezeichen, Ausrufezeichen). Außerdem tauchen viele Protagonisten der späteren Romane in Perfidia auf, z.B. Buzz Meeks, hier noch ein fast unbescholtener, fast ehrlicher Polizist ist, bevor er im L.A. Quartett als Mafiakiller reüssiert. Außerdem wird dem jungen J.F.K. Frischfleich zugeführt und gaaaanz gemein über die angeblich lesbische First Lady Eleanor Roosevelt abgelästert. Es ist ein dichter, ein düsterer Plot, vor dem Hintergrund des amerikanischen Weltkriegshysterie. Und Ellroy schafft es wie immer bis zum Schluß die bedrohliche, verschwitzte, brutale Spannung aufrecht zu erhalten. Wer der wirkliche  Täter war, kommt zwar am Ende auch raus spielt aber in dem Poesie-Noir Werk keine großen Rolle.

Soll man Perfidia lesen?

Insgesamt ist Perfidia lesefreundlicher, weil weniger komplex und undurchsichtig als viele der Vorgängerromane und somit auch Neulingen zu empfehlen. Und wiie heißt es so schön: Für Ellroy-Fans natürlich ein MUSS. Mein Tipp für Einsteiger. Mit “Die schwarze Dahlie” anfangen, dann  sich durch die folgenden sechs Bücher arbeiten. Bis dahin dürften auch die Nachfolgebände von Perfidia erscheinen und die Schwedenkrimis in der Mülltonne gelandet sein.

 

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