Nothing Can Hurt Me –
Dokumentarfilm über Big Star

big-star-nothing-can-hurt-me Alex ChiltonAm 17. Mai 1986 trafen sich in Schwenningen im Garten der Spittelstraße 5, in der damals die Granden der ehemaligen Hausbesetzerszene wohnten, eine Handvoll Jugendliche. Sie fieberten einem Grillabend mit einem ganz besonderen Gast entgegen.  Erwartet wurde der ehemalige Sänger der Box Tops, der 1968 als Teeniestar einen weltweiten Nr. 1 Hit hatte und in einer besseren Welt mit seiner Band Big Star die Siebziger Jahre geprägt hätte. War aber nix – Alex Chilton sagte das Grillen mit den Punks ab, weil er lieber in Niedereschach Tennis spielen wollte. Und er wäre wohl kaum am Vorabend in der Villinger Scheuer aufgetreten, wenn Big Star zwischen 1972 und 1976 nicht so komplett gefloppt wären.

Die tolle Film-Doku von Drew DeNicola und Olivia Mori über das dramatische Scheitern der Band ist nun auch in Deutschland auf DVD erscheinen. “Nothing can hurt me” beleuchtet sowohl den Entstehungsprozess dieser faszinierenden Musik als auch das kommerzielle und persönliche Scheitern der Protagonisten.

Dabei hatte alles sehr vielversprechend angefangen. “Big Star” benannten sich nach einer Mega-Mall in Memphis und erhielten einen Plattenvertrag mit dem Soul-Label Stax, das mit Big Star den weißen Pop-Markt erobern wollte. Ihr erstes Album No.1 Record, ist eine melancholische Mischung aus Beatles-Melodien, Byrds-Gitarren und MEMPHIS. Die Kritiker überschlugen sich, sahen sie doch in dem  Album ein Rückkehr zu den Wurzeln des Rockn’ Roll.

Leider schaffte es Stax nicht das Album rechtzeitig und dann auch nur schleppend auszuliefern. Album Nr. 2 Radio City kam erst gar nicht in die Läden weil Stax zwischen durch den Vertrieb an Columbia abgab und danach Pleite ging. Ja und ihr werdet es schon erraten “Third/Sister Lovers”, eine düstere Blaupause des 80er Alex Chilton Sounds wurde erst gar nicht gepresst und erst 1992 in der ursprünglich angedachten Form veröffentlicht. Damit war die Karriere in den Siebzigern gelaufen. LedZep und Bowie, bitte übernehmen Sie.

Big Star Nothing can hurt me Alex Chilton

Der Film beleuchtet neben der Pechsträhne in der Vermarktung auch die angespannte Beziehung zwischen Big Star Mastermind Chris Bell und Alex Chilton. Bell hatte die Band gegründet und nachhaltig den kristallklar, fragilen Sound  geprägt. Obwohl alle Songs aus gemeinsamer Feder stammten, focussierte sich die Musikpresse natürlich auf das Wunderkind Alex Chilton. Bell verliess die Band schon nach der ersten Platte  zum ersten Mal, nicht ohne die Masterbänder von No.1 Record noch vorsorglich zu löschen.  Es klingt natürlich nach Phrasenmaschine, aber seine Familie bestätigte in der Doku, dass er eine Sternschnuppe war. Hell leuchtend am Firmament aber viel zu schnell verglühend. Er trat nach nur einer Solosingle in den club of 27 ein, ein Autounfall kostete ihn das Leben.

Der Figur Alex Chilton kann der Film nie wirklich nahe kommen. Er schloß sich nach dem Zerbrechen von Big Star der New Yorker Punkszene an, trat im CBGHs auf. Seine Erfolglosigkeit war gleichzeitig die Credibility-Eintrittskarte in der Post Punk Ära.

Alex-Chilton-by-Stephanie-Chernikowski Big Star Nothing can hurt me

Das erste Soloalbum “Like Flies on Sherbert” ein in den Betonschredder geworfenes Rock-Statement, wurde zu Unrecht als das am schlechtest produzierte Album aller Zeiten besprochen.  Alex Chilton half den Cramps –  Zombie-Widergängern von Elvis – auf die Sprünge und spielte selbst bei Tav Falvco’s Panter Burn.  Ich frage mich beim Anschauen des Films, was wohl in Chilton, dem gefeierten Genie vorging, als er grinsend mit Tav Falco in einer Fernsehshow auftritt, in der sich die Band zwar vorstellen aber nichts der genervten Moderatorin nichts vorspielen darf. Nach Big Star war bei Chilton eine Tendenz bemerkbar, alles Aufgebaute sofort wieder zu zerstören vielleicht um den großen Frust kein zweites Mal erleben zu müssen. Aber der Rockn’ Roll vergisst nichts.  Wenn Velvet Underground die erste Punkband waren, dann waren Big Star die erste Independent Band. Waren Inspirationsquelle für R.E.M, The Replacement, Tom Petty, die Bangles. Für Chris Bell kam die Anerkennung zu spät.  Alex Chilton starb vor 5 Jahren.

Ach ja das mit dem Tennisspielen war damals eine Lüge. Alex Chilton nahm bereits zum Frühstück in der Pension Huber zum Kaffe einen Teller bunter Pillen zu sich und war danach eher unpässlich. –It’s a mighty long way down rock ‘n’ roll, and you look like a star but you’re still on the dole  – All the Way from Memphis

Big Star Nothing can hurt usDie DVD “Nothing Can Hurt Me” erscheint praktischerweise in einem Bundle mit den ersten beiden Platten.Es lohnt unbedingt diese grandiose zeitlose Musik auch jetzt noch zu entdecken. So ist es jedenfalls mir gegangen.

 

 

 

Hier wie immer das liebevoll zusammengestellte Mixtape zum Beitrag mit Musik von Alex Chilton, Chris Bell, Big Star. Bitte reinhören. Es lohnt sich.

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