Die Plaste liest das Amtsblatt

Amtsblatt Villingen-Schwenningen

Unscheinbar lugt es zwischen Supermarktprospekten mit XXL Schweinenacken und getigerten Outdoor-Westen hervor. Weil die Zeitschrift mit dem sexy Titel „Amtsblatt VS“ zum ersten Mal seit ihrem Erscheinen nicht direkt den Weg vom Briefkasten ins Altpapier gefunden hat, habe ich sie mir mal ein bißchen genauer angesehen. Was zwischen amtlichen Bekanntmachungen, aufgepimpt mit lokalem redaktionellem Inhalt, gleich ins Auge fällt ist  die Seite der politischen Parteien. Jede Partei im Gemeinderat darf hier gefühlt proportional nach der Sitzverteilung ein bestimmte Anzahl Zeilen vollschreiben. Da ich mal davon ausgehe, dass keiner der Plaste-Leser die Seite goutiert hat, will ich das für euch tun.

Zum Nachlesen: Originalbeitrag von CDU, SPD, Freie Wähler und den Grünen

Zum Nachlesen: Originalbeitrag FDP, AfD

Die SPD plaudert über Politik. Ganz verwoben in sozialdemokratischer Tradition verkündet sie, dass die Gewerbesteuer nicht gesenkt wird, damit die Straßenlöcher geflickt werden können. Ja das ist eben das harte Brot eines Lokalpolitikers. Entscheidungen müssen getroffen werden.  Aber hat jemand daran gedacht, was man den hiesigen Leserbriefschreibern und Wutbürgern, wegnimmt, wenn mal alle Straßen geflickt sind?

Unsere lokale CDU drückt allerdings der Schuh ganz böse an anderer Stelle. Sie hat es schwer mit Sitzungsvorlagen, die so lange perfide hochkompliziert von Pontius zu Pilatus geschoben werden, bis der komplett verwirrten CDU Fraktion völlig überfordert die Köpflein rauchen. Für eine Simplifikation des Alltags sorgt nur die Tatsache, dass unser OB immer auf den Tisch haut, wenn die Gemeinderäte nicht so abstimmen, wie er das möchte. Ich stelle mit unseren H. Kubon versehen mit einer Kim-Il-Sung Brötchenfrisur vor, der unsere CDU Granden mit backsteinschweren Sitzungsvorlagen durch die heiligen Hallen jagt. Oder waren vielleicht Sitzunterlagen gemeint?

Bündnis 90/ Die Grünen beziehen sich als einzige auf das aktuelle Flüchtlingsproblem und bedanken sich bei allen ehrenamtlichen Helfern – schöner Zug.

Überraschend klug kommt die AfD daher, die einfach GAR NICHTS zu sagen hat. Ja jetzt höre ich euch schon raunen “Natürlich hat die AfD nichts zu sagen” Aber seid wann ist das ein Grund zu schweigen? Und Populisten, die nichts sagen sind so effizient, wie das Schwein vorm Besteckkasten. Allerdings  verließ  im Frühjahr AfD Stadtradt Caroli die Partei, weil er sie zunehmend in nationalkonservativen Kreisen verortet sah. Vielleicht ist auch Stadtrat No.2 ein Teelichtlein aufgegangen und er hat sich heimlich vom Acker gemacht.  

Der eigentliche feierliche Anlaß euch das Amtsblatt vorzulesen ist jedoch der Beitrag von Wolfgang Berweck von den freien Wählern. Sein Thema:  Oberförster Hubert Ganter! Wir erfahren, dass der gute Mann eine Lichtgestalt für „Villingen/ Schwarzwald“ war,  so hieß der westliche Teil von VS nämlich früher. Der Mann forstete auf, legte Spazierwege an und und gründete “einen Verschönerungsverein als Schutztruppe im Kampf mit Rat und Verwaltung der Stadt”, er war also ein richtiger kleiner Revoluzzer ganz im Sinne der Freien Wähler. „Ganter initiierte den Bau des Waldhotels, welches sogar dem Großherzog imponierte„. Ich nehme mal schwer an, dass es dabei sich um den Großherzog von Villingen/ Schwarzwald handelte.  Mmmmmmhhhh, okaaaay? Und jetzt kommt der Aufreger:  das Ganterdenkmal befindet sich “In ungepflegtem Umfeld, lieblos gestaltet, gedenkt man eines Mannes, der soviel für seinen Wald erreicht hat„. Freunde, da zerbrechen sich die Stadträte ihre Köpfe über Schulsanierungen, löchrige Straßen, ein Jugendzentrum und die Integration der Flüchtlinge in unserer Stadt. Und wer kommt dabei komplett unter die Räder? Oberförster Hubert Ganter!! Aber zum Glück nur fast, denn wir  haben ja unseren Mann von den Freien Wählern, der seinen Beitrag mit den Worten schließt „Aber vernachlässigen wir die Geschichte der Stadt nicht auch anderorts ständig?“ Richtig rufe ich – gut erkannt – die Stolpersteindebatte war unserer Stadt auch nicht würdig. Herr Berweck übernehmen Sie doch beide Fälle! Obwohl… da fällt mir ein…wohl eher doch nicht.

Last not least darf auch die FDP ihre Zeilen vollmachen. Die Freien Demokraten leiden darunter, dass der Gemeinderat die Videoübertragung seiner Sitzungen abgelehnt hat. Ich sehe es vor meinem geistigen Auge. Zwei bis drei VSler zappen sich bis zur Sitzung durch, in der Rupert Kubon cholerisch mit Sitzungsvorlagen auf den Tisch hämmernd die CDU Räte zur Abstimmung ruft, während die Freien Wähler heimlich eine 5m große Oberförster Ganter Statue auf dem Marktplatz von Villingen im Schwarzwald (in den Grenzen von 1970) errichten. Die FDP hat ihren Beitrag übrigens im Gegensatz zu den anderen Parteien mit einer Facebook Adresse unterschrieben. Es ist anzunehmen, dass es sich bei der Partei inzwischen um ein rein virtuelles Phänomen handelt.

Fazit: Das Fanzine der Stadtverwaltung hat durchaus das Potential zur Kultlektüre.  Und sollte ich mal am Unterkirnacher Bahnhof vorbeiwandern werde ich Hubert Ganter ehren, ein bißchen Moos von seinem Denkmal zupfen und vielleicht ein Sträußlein selbstgepflückter Wiesenblumen niederlegen.

Gern bieten wir noch mehr regionale Beiträge an

30 Jahre Hausbesetzung in der ehemaligen Milchzentrale. Hier

Daily Trash – Das Amtsblatt der Jugendkultur. Hier

P.S.

Hier noch ein Fundstück, aus dem Südkurier. Hubert Ganter war nicht nur ein legendärer Typ. Er wurde auch fast 170 Jahre alt.

Ganter

 

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